„Sie sind heute in der blauen Gruppe“ - Coße macht Praktikum im Kindergarten in Westerkappeln
SPD-Bundestagsabgeordneter Jürgen Coße macht Praktikum im Familienzentrum Am Kappellenweg – Gespräch über Finanzierung der Kitas, Personal und Sanierungsstau
Westerkappeln. „Spielst du mit uns Anschlag-frei?“ Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Coße hieß es einen Tag lang Basteln, Spielen, Trösten und beim Schuhe anziehen helfen. Der Abgeordnete für das Tecklenburger Land hat im Familienzentrum Am Kappellenweg in Westerkappeln ein Praktikum gemacht. „Ich mache ein Mal im Monat ein Praktikum in einem Betrieb oder einer Einrichtung, denn nur, wer die Wirklichkeit kennt, kann gute Politik machen. Und gerade die Situation in den Kitas hat sich in den letzten Jahren so zugespitzt, dass hier dringend was passieren muss. Ich habe es selbst erlebt, wie stressig der Alltag in der Kita sein kann, wenn zu wenig Personal da ist“, sagt Coße. Mit Einrichtungsleiterin Anja Peters, Simone Mannefeld und den Elternvertreterinnen Christina Bowenschulte und Carolin Heine hat sich Coße anschließend darüber ausgetauscht, was getan werden muss, um die Kitas besser zu finanzieren.
Basteln, Fußballspielen und viel Organisation und Dokumentation
„Sie sind heute in der blauen Gruppe“, sagt Peters zur Begrüßung. So findet sich Coße kurzerhand mit einigen Kindern am Maltisch wieder. Anschließend geht es zur sogenannten Blitzlichtrunde, in der der Personaleinsatz besprochen wird und wer wann die Kinder beim Mittagessen betreut. „Von knapp 100 Kindern haben wir im Durchschnitt 70 Kinder zum Mittagessen. Gerade in dieser Zeit brauchen wir viel Personal“, sagt Peters. Anschließend geht es mit der blauen Gruppe ins gegenüberliegende „Regenbogenland“. „Spielst du mit uns Anschlag-frei? Oder Fußball?“, fragen die Kinder. Da Coße auch selbst mal im Fußballverein gespielt hat, war das für ihn eine willkommene sportliche Abwechslung zum politischen Alltag.
Peters: "Bildung geht uns alle an und die Kinder sind unsere Zukunft"
„Man merkt, dass die Erzieherinnen und Erzieher mit Herzblut für die Kinder da sind und ihre Arbeit lieben. Aber man merkt auch, wie stressig es ist, sobald auch nur ein oder zwei Kolleginnen fehlen. Es wird viel Zeit für Dokumentation und Organisation benötigt, die für das Betreuen der Kinder fehlt“, sagt Coße. Peters: „Bildung geht uns alle an und die Kinder sind unsere Zukunft. Das sollten wir bei der aktuellen Diskussion nicht vergessen.“
Finanzierung der Kindertagesstätten
So sprachen Coße, Peters und Mannefeld im Anschluss an das Praktikum über die Finanzierung der Kindertagesstätten, konkret über den Trägeranteil, den die Kirchen als Träger aus eigenen Mitteln finanzieren müssen. „Die Kirchen erhalten nur 89,7 Prozent der Betriebskosten und müssen die Differenz zu 100 Prozent selbst finanzieren. Hier herrscht eine Ungleichbehandlung zwischen den Kirchen und den sogenannten freien Trägern, denn auch die Kirchen haben zunehmend Schwierigkeiten, durch wegfallende Kirchensteuern die Kitas zu bezahlen“, sagt Mannefeld.
Coße: "Kitas waren schon immer in der Unterfinanzierung"
„Kitas waren schon immer in der Unterfinanzierung“, beklagt Coße, der viele Jahre im Kreis Steinfurt im Jugendhilfeausschuss war und aus seiner Zeit in der Kreis- und Lokalpolitik das Thema kenne. Auch die Bedarfsplanung müsse jedes Jahr korrigiert werden. Den Elternvertreterinnen Christina Bowenschulte und Carolin Heine war in dem Gespräch besonders wichtig, dass sich endlich konkret etwas verbessert. „Wenn in der Kita von heute auf morgen Notbetreuung ist, stehen die Eltern sehr unter Druck, sie müssen schließlich arbeiten. Dazu kommt, dass die Kinder ja auch selbst mal krank sind. Niemand kann ständig seiner Arbeitgeberin oder seinem Arbeitgeber sagen, dass man nicht arbeiten kann“, sagt Heine.
Problem: Irgendwie sind alle und keiner zuständig: Land NRW, Kreis und Kommunen
„Ein großes übergeordnetes Problem besteht darin, dass bei den Kindertagesstätten irgendwie jeder oder keiner zuständig ist. Hier ist an erster Stelle das Land NRW zuständig, dann der Kreis Steinfurt und schließlich die Kommunen“, sagt Coße. Von NRW-Familienministerin Josefine Paul warte er leider seit drei Monaten auf eine Antwort. Gleichzeitig habe Coße dem Jugendamtsdezernenten beim Kreis Steinfurt, Tilman Fuchs, einen Brief mit den Fragen zur Finanzierung und Personalausstattung der Kitas geschrieben.