Wohnungslosigkeit nicht nur ein Thema für die großen Städte
SkF Ibbenbüren und Bundestagsabgeordnete Coße und Nickholz im Gespräch über Wohnungslosigkeit – Dauerhafte Finanzierung für Hilfsangebote notwendig
Ibbenbüren. 1.362 Personen haben zwischen 2020 und 2024 Beratung beim SkF (Sozialdienst katholischer Frauen) in der Wohnungsnotfallhilfe gesucht. Darunter 470 Kinder. „Obdach- oder Wohnungslosigkeit ist nicht nur ein Thema für die großen Städte. Das betrifft mehr Menschen in Ibbenbüren und der Umgebung als man denkt“, sagt Ute Middendorp, Fachbereichsleitung Existenzsichernde Hilfen beim SkF. Der SPD-Bundestagsabgeordnete für das Tecklenburger Land, Jürgen Coße, und Brian Nickholz, ebenfalls Bundestagsabgeordneter und Beauftragter für Wohnungs- und Obdachlose der SPD-Bundestagsfraktion, haben sich mit dem SkF über die Wohnungsnotfallhilfe in Ibbenbüren ausgetauscht, die dort 2020 ihre Arbeit aufgenommen hat und die es vorher im Tecklenburger Land als Angebot nicht gab.
128 Fälle präventiv von Wohnungslosigkeit vermieden
„Wir sind sehr froh, dass wir mit unserer Beratungsstelle seit 2020 immerhin 128 Fälle präventiv von Wohnungslosigkeit vermeiden konnten. Von weiteren 285 Hilfsgesuchen wissen wir nicht, ob die Menschen wohnungslos geworden sind. Wir werden über Projektgelder finanziert. Das heißt, wir haben immer nur für zwei Jahre Planungssicherheit und landen immer wieder in einer Hängepartie“, sagt Middendorp. „Eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung, auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch den Kreis Steinfurt und den LWL wäre absolut wichtig“, sagt Sozialarbeiterin Stefanie Weßels. Coße sagte zu, das Thema bei seinem Antrittsbesuch beim neuen Sozialdezernenten des LWL, Takis Mehmet Ali, anzusprechen.
Fehlende öffentliche Orte zum Duschen, Waschen und WC - Digitalisierung ein Problem
Es ging in dem Gespräch auch um praktische Dinge, wie fehlende öffentliche Orte zum Duschen oder Wäsche waschen, ein WC und vor allem Trinkwasser zu bekommen. Die zunehmenden Kartenzahlungen sind ein weiteres praktisches Problem. Middendorp: „Ohne Bankkonto keine EC-Karte und ohne EC-Karte keine Kartenzahlung. Und ohne Personalausweis kann auch kein Handy genutzt werden. Auch für Prepaid-Karten braucht man gültige Ausweispapiere und das Aufladen erfolgt digital. Vieles läuft heute digital, was ja prinzipiell gut ist, aber hier werden obdachlose Personen sozusagen abgehängt.“
Bericht eines ehemaligen Obdachlosen
Mit im Gespräch war ein ehemaliger Obdachloser, der von seinen Erfahrungen und Erlebnissen berichtete, und wie er mit Hilfe seiner Partnerin und des SkF wieder aus seiner Situation herausgekommen ist: „Die Menschen schämen sich natürlich für ihre Lage und ziehen sich erstmal zurück. Es dauert, bis man so weit ist, und sich Hilfe holt.“
Brian Nickholz verwies darauf, dass auch ein engerer Austausch mit Vermieterinnen und Vermietern bei der Beratung hilfreich sein könnte. „Denn Prävention und Vorbeugung hilft den Menschen. Die Beratungsstelle hat mehr Möglichkeiten und kann auch zum Jobcenter und Sozialamt vermitteln. Und mehr Beratung bedeutet weniger Kosten im Nachhinein.“
"Die meisten Menschen wollen nicht als Obdachlose leben"
Durch das Haus 21/Sozialkaufhaus, die Tafel und die Suppenküche bekomme die Beratungsstelle ein Gefühl dafür, was in Ibbenbüren geschieht. „Natürlich sind wir ein freies Land und jede und jeder trifft seine Entscheidungen selbst. Aber die meisten Menschen wollen nicht als Obdachlose leben und sind ganz unvermittelt in diese Situation geraten. Daher müssen wir uns fragen, wo der Sozialstaat versagt hat und wie wir hier noch besser helfen können, beispielsweise durch eine sichere Finanzierung“, sagt Coße.